Die Entstehung
Aus derWerkstatt
1996 begann ich mit dem Bau des Modells. Zunächst wählte ich den Maßstab 1: 87 der Modellbahn H0 . In diesem Format gab es fast alles, was ich an Nebensächlichkeiten wie Straßenpflaster, Mauersteinen, Blendsteinen, Rasen, Bäumen und Zäunen benötigte. Ein recht großer Zeitaufwand war erforderlich, um den Stadtplan von 1905 in diesen Maßstab zu bringen. Da man diesen Plan im ungefähren Maßstab 1:1500 nicht auf einmal auf 1:87 kopieren konnte, musste alles in drei Stufen hochkopiert werden. Es waren insgesamt 560 Blatt Papier nötig, von denen 2/3 am Ende nutzlos waren. Den Rest habe ich zusammen geklebt und in 32 Felder aufgeteilt. Parallel dazu habe ich 32 Hängeordner angelegt, um die Bilder, die zu den nummerierten Feldern gehörten, einzusortieren.
Als erstes Gebäude entstand das Altstädter Rathaus. Wie alle danach gebauten Modelle wurde auch das Rathaus als Hohlkörper gefertigt und verlangte Geduld und das Hinnehmen und Einatmen von viel Feinstaub. Da half auch eine extra installierte Absaugung an der Minifräse nichts. Um diesen Missstand abzustellen, habe ich eine Fertigungsweise vorgezogen, bei der es keinen Staub mehr gab. Ich stellte die Baukörper in Massivblöcken her und verkleinerte sie ringsum um 3 Millimeter. Auf diesen Rohbau wurden die vorgefertigten Fassaden aufgeleimt.
Beispiel Rohbau:
Die Herstellung dieser Fassaden geschah nach folgendem Ablauf:
Als erstes wurde eine 1 Millimeter dicke Sperrplatte auf die erforderliche Größe geschnitten und darauf Fenster und Türöffnungen gezeichnet. Danach wurden die Öffnungen mit dem Stecheisen ausgestochen und auf die stehen gebliebenen Teile 2 Millimeter dicke Leisten aufgeleimt.
Beispiel Fassade:
In die so entstandenen Felder wurden Scheiben eingepasst und diese mit PVC Folie überzogen. Je nachdem wie die Fensteraufteilung auf den alten Fotos aussahen, wurden die Fensterprofile eingeschnitten und die Glasflächen freigelegt. Bevor die Scheiben in die Fassadenplatten geleimt wurden, musste die Fassade gestaltet werden. Das heißt, geputzte Flächen und die Sandsteineinfassungen mussten gestrichen werden. Bei Fachwerk waren die Balken und bei Bruchsteinfassaden, wie zum Beispiel am Schloss, der Stadthalle und am Kanzleigebäude, die Bruchsteinplatten aufzuleimen. Bei Backstein und Schieferfassaden wurde nach dem gleichen Prinzip verfahren, während Sandsteinfassaden wieder eine eigene Entstehung hatten. Man kann das sehr gut an der Eingangsfront der Stadthalle erkennen. Dazu musste Tonpapier mit weißer Farbe geädert und in Einzelteile geschnitten werden. Die Plattenteile wurden anschließend mit der Aderung senkrecht und waagerecht auf die Fassade geleimt.
Sandsteingewände für Bruchstein und Backsteinfassaden
Da man bei Bruchstein und Backsteinfassaden die Gewände für Fenster und Haustüren wegen der Mauerfugen nicht ordentlich aufmalen kann, müssen sie aus Tonpapier geschnitten und gefalzt werden. Dazu wird das Papier mit zwei Hobelmessern gefaltet und anschließend mit einem dazu erforderlichen dicken Lineal an einem Anschlag von Breite geschnitten. Das so hergestellte gefalzte Papier kann so über die Fensterecke des Mauerwerks aufgeleimt werden.
Balken für das Fachwerk
Je nach dem welche Farbe das Gebälk haben soll, wird dünner Karton dunkelbraun oder rot, wie zum Beispiel am Kommandanturgebäude mit der erforderlichen Farbe gestrichen und in die gewünschte Breite geschnitten. Sollten gebogene oder runde Balken gebraucht werden, so muss das frei Hand oder mit einem Bürolocher gemacht werden.
Dacheindeckungen
Die meisten Dächer werden mit Biberschwänzen eingedeckt. Um auf die Vielzahl der unterschiedlichen Farben zu kommen, fotografierte ich ein altes Dach in dem Glauben, dass ich so am sichersten und schnellsten zu einer brauchbaren Lösung kommen würde. Dem war leider nicht so. Auf dem Foto wurden die Ziegel nach den Seiten immer kleiner und konnten daher nicht verwendet werden. Ich vervielfältigte die Bilder und schnitt die gewünschte Größe von ca. 2 x 1 cm aus und beklebte damit einen Bogen in DIN A 4 Größe. Damit hatte ich den Grundstock für alle Dächer geschaffen. Man kann die Farbe nach Wunsch auf dem Kopierer noch einmal leicht verändern.
Mit den Schiefereindeckungen war das Ganze etwas leichter. Eine normale Schieferplatte machte mir Gerhard Schippers und brachte sie auf den Maßstab 1 : 87. Wie er sie danach auf dem Computer exakt unter und nebeneinander brachte, weiß ich nicht. Er erzählte mir nur, dass sein PC fast vier Stunden gelaufen sei. Für die Gaupen habe ich noch eine geringere und für die Turmhauben eine ganz kleine Variante von dem Original abgeleitet.
Dachpappe
Die mit Dachpappe eingedeckten Dächer sind sehr einfach mit grauem Tonpapier hergestellt. Allerdings ist darauf zu achten, dass dieses Papier in Streifen geschnitten und an den Stößen überlappend aufgeleimt wird. Sollte es auf Fotografien feststellbare Farbunterschiede geben, muss man auch unterschiedliche Grautöne verwenden. Dies ist zum Beispiel bei der Holzhalle der Glaserei Reus der Fall. Dort wurde das Dach durch Auskragungen verbreitert und erhielt auch eine Pappe in hellerem Ton als die schon vorhandene Dacheindeckung.
Schiefer für den First
Die Schieferplatten für den First werden in Streifen geschnitten und mit den 2 Hobelmessern gefaltet. Danach schneidet man sie unter Zuhilfenahme einer Leiste auf Breite und leimt sie auf den First.
Schiefer für den Dachrand
Den Schiefer für den Dachrand habe ich in Rechteckform in einem Geschäft aufdrucken lassen und immer wieder kopiert. Auch hierbei werden wieder Streifen geschnitten und anschließend aufgeleimt.
Dachrinnen
Um die Dachrinnen in die gewünschte Form zu bringen, habe ich mir eine Vorrichtung gebaut, die eigentlich eine Minipresse ist.
Dazu werden ganz dünne Bleche zwischen zwei Backen geschoben und die Vorrichtung im Schraubstock zusammen gedrückt.
Nachdem mit dem Schillermesser das Formstück von dem verbliebenen Blech getrennt worden ist, kann der Vorgang widerholt werden.
Die flach gebliebene Fläche hinter der eigentlichen Rinne wird an der Unterseite des Daches angeklebt.
Turmhelme
Die Basis der Turmhelme sind immer profilierte Massivholzstäbe, die in der Form des Helms zu fräsen sind. Danach müssen sie je nach Grundriss in Sechsoder Achteckstücke geschnitten und verleimt werden.
Beispiel Turmhelm:
Kirchenfenster, deren Maßwerke und Gebäudehöhe
Die zehn im Chorraum der Marienkirche sitzenden Fenster haben im oberen Teil alle unterschiedliche Maßwerke. In der von den Herren Winkler und Mittelsdorf verfassten Festschrift über Hanauer Baudenkmäler aus dem Jahre 1897 sind diese Maßwerke abgebildet und ich konnte sie leicht auf eine Aluplatte übertragen. Die Öffnungen mit Bohrer und Schlüsselfeilen heraus zu arbeiten, war etwas schwieriger und erforderte Zeit und Geduld. Die beiden Herren hatten nicht nur die Hanauer Kirchen gezeichnet, sondern auch die Höhenmaße angegeben. Hierdurch war ich in der Lage das Gebäude selbst in maßstabgerechter Ausführung zu erstellen. Die Höhen der angrenzenden Gebäude, wie zum Beispiel das direkt neben der Kirche stehende Küsterhaus, konnte ich wiederum nach Fotografien bestimmen.
Fenster der Marienkirche:
Haustüren
Nur ganz wenige Haustüren habe ich bis jetzt gefertigt und eingebaut. Wobei das Wort eingebaut eigentlich übertrieben ist. Ich habe in den vorgeleimten Fassaden die Öffnungen geschaffen und den Hintergrund dunkel gestrichen. Somit kann ich jederzeit die Türen nach ihrer Fertigstellung einschieben und arretieren.
Änderungen an Fassaden
Die vorgeleimten Fassaden haben neben ihrer Eigenschaft der staubfreien Herstellung den Vorteil, dass ich sie im Notfall wieder entfernen kann um unumgängliche Veränderungen vorzunehmen. Einen solchen Fall hatte ich am Gebäude des Großen Kurfürsten. Es war folgendes passiert. Die mir zur Verfügung stehende Fotografie war vom Turm der Johanneskirche aus aufgenommen und die Straßenfront durch das nebenan vorstehende Gebäude im Bereich des Erdgeschosses zum Teil verdeckt. Also habe ich die Fenster des Erdgeschosses genau so wie die des 1. Obergeschosses angeordnet. Als ich von Karlheinz Grosch, der nebenan jahrelang gewohnt hatte, Besuch bekam, sagte er mir, dass dort ein Tor gewesen sei. Also habe ich die Fassade wieder herunter gerissen und neu gestaltet. Damit aber nicht genug. Eines Tages rief mich Herr M. Steiger an und sagte mir, dass er durch Zufall im Internet eine Postkarte gesehen habe, auf der die gesamte Vorderfront des Gebäudes zu sehen sei. Meine Frau suchte mir das Bild und druckte es aus. Darauf war alles so zu sehen wie es Karlheinz Grosch angegeben hatte, aber das Tor hatte einen Korbbogen. Das hieß, die Fassade noch einmal zu entfernen und das Tor mit einem Korbbogen zu versehen.